Warum Selbstliebe im Inneren entsteht und was es mit dem eigenen Brunnen auf sich hat:
Viele Menschen suchen ihr Leben lang im Außen nach Anerkennung, Bestätigung oder Liebe. Sie laufen zu den „Brunnen“ anderer Menschen, um dort Wasser zu schöpfen – und fühlen sich doch nie dauerhaft zufrieden damit. Die Suche an sich ist menschlich, denn wir alle haben in unserer Kindheit gelernt, dass wir Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen, um uns sicher zu fühlen. Doch im Erwachsenenleben kann es dann passieren, dass wir immer wieder das Nachbardorf aufsuchen, anstatt unseren eigenen Brunnen zu entdecken.
Oft bemerken wir gar nicht bewusst, wie sehr dieses Muster unser Leben bestimmt. Wir übernehmen Rollen, die uns gefallen sollen. Wir sagen „Ja“, obwohl wir „Nein“ meinen, und wir richten uns nach den Erwartungen anderer aus. Dieses Verhalten kann uns kurzfristig Sicherheit geben – langfristig jedoch erschöpft es uns, denn unsere eigenen Bedürfnisse bleiben dabei auf der Strecke.
Der Brunnen im Nachbardorf
Stell dir vor, du lebst in einem Dorf ohne Wasserquelle. Dein Leben lang bist du es gewohnt, ins Nachbardorf zu laufen, um dort Wasser zu holen. Mal gibt es genug, mal nicht. Manchmal wirst du freundlich empfangen, manchmal spürst du Ablehnung oder Abhängigkeit. Und nur weil du glaubst, dass du selbst keine solche Wasserquelle hast, gehst du trotzdem immer wieder diesen Weg.
So ähnlich funktioniert die sogenannte Gefallenssucht, auch „People Pleasing“ genannt. Eine Suche nach Liebe, die ständige Jagd nach Anerkennung oder ein ständiges Gefallenwollen – nur um bloß nicht abgelehnt zu werden. Wir hoffen, dass andere uns geben, was wir selbst vermeintlich nicht haben: Liebe, Anerkennung, Wertschätzung. Dann fühlen wir uns zeitweise gestärkt – doch die Wirkung ist oft nur kurz. Dieses Muster kann sich in Freundschaften, Partnerschaften oder sogar im Berufsleben zeigen – überall dort, wo wir versuchen zu funktionieren und uns anzupassen, um akzeptiert zu werden.
Den eigenen Brunnen graben
Doch der Wendepunkt kommt erst dann, wenn wir beginnen, nach innen zu schauen. Sobald wir uns selbst die Frage stellen: „Was, wenn auch in mir eine Quelle liegt?“. Und ja, das Graben nach innen ist oft mühsam. Denn bis man an die Wasserquelle gelangt, stößt man zunächst auf Dinge, die man ungern zu Tage fördern möchte.
Steine, Schlamm und innere Leere
Die Steine stehen für alte, uns behindernde Glaubenssätze wie z. B. „Ich bin nicht (gut) genug“ oder „Nur wenn ich anderen gefalle, habe ich Wert“. Sie blockieren den Zugang zu unseren eigenen Bedürfnissen und erschweren es uns, uns selbst so anzunehmen wie wir sind. Und der Schlamm symbolisiert hier unsere verdrängten Gefühle wie z. B. Sehnsucht, Trauer, Wut, Angst oder Enttäuschung. Die meisten von uns haben gelernt, solche Emotionen zu unterdrücken. Doch Emotionen wollen gesehen werden – sie wollen fließen um sich zu lösen!
Auch darf an dieser Stelle erwähnt werden, dass wir beim Brunnen graben sogar alte Wunden entdecken können, die tief in uns sitzen. Dazu gehören Ablehnung in der Kindheit, unerfüllte Bedürfnisse, zu wenig bis keine Zuwendung, fehlende Anerkennung oder gar (schlimme) Verletzungen. All diese Schichten machen den Prozess zunächst schwer, doch genau sie sind der Schlüssel, um echte Selbstliebe zu entwickeln.
Anschließend kann erstmal eine Leere auftauchen. Das ist die offene Wunde, eine Stelle in uns, die bisher von außen gefüllt werden musste. Diese Leere zu erkennen kann sehr schmerzhaft sein. Doch sie anzunehmen und bewusst zu füllen, ist ein zentraler Schritt auf dem Weg zum eigenen Brunnen. Denn je tiefer wir graben, desto klarer wird das Wasser, das schon immer da war – unsere eigene innere Quelle von Selbstwert, Vertrauen und Selbstliebe. Und je mehr wir dieses Wasser nutzen, desto weniger brauchen wir es von außen.
Das Wasser der Selbstliebe
Wenn der eigene Brunnen dann endlich zu fließen beginnt, geschieht etwas Befreiendes: Wir müssen nicht mehr verzweifelt im Außen suchen! Wir können anderen Menschen begegnen, ohne abhängig von ihrer Anerkennung zu sein. Wir können Liebe empfangen, ohne sie erzwingen zu wollen. Wir können Liebe geben, ohne uns selbst dabei zu erschöpfen.
Das bedeutet nicht, dass Beziehungen oder Freundschaften nicht mehr wichtig sind. Ganz im Gegenteil: Wenn wir aus unserem eigenen Brunnen schöpfen, werden unsere Beziehungen gesünder – weil sie auf gegenseitiger Wertschätzung beruhen, nicht auf Bedürftigkeit. Wir erkennen, dass Nähe und Liebe nicht erzwungen werden müssen, sondern aus einem natürlichen Fluss in uns selbst entstehen.
Die Reise zur Selbstliebe ist ein Prozess
Den eigenen Brunnen zu graben kann eine ganze Weile dauern, und es braucht Zeit, die alten Wunden zu betrauern und anzuerkennen. Wir dürfen uns Raum geben, für uns selbst da sein, unsere Gefühle ernst nehmen und sie achtsam begleiten. Dabei kann es hilfreich sein, sich bewusst kleine Rituale zu schaffen: Momente der Ruhe, Tagebuchschreiben, Spaziergänge in der Natur oder Meditationen, um den inneren Zugang zu stärken. Auch kann es ratsam sein, sich in dieser Zeit durch therapeutische oder ähnliche Unterstützung begleiten zu lassen.
Und dann dürfen wir unsere eigene Wasserquelle genießen – was übrigens nicht bedeutet, dass wir nie wieder ins Nachbardorf gehen dürfen. Es heißt vielmehr, dass wir frei entscheiden können: „Ich hole mir heute etwas Wasser bei anderen, aber ich weiß, dass meine Quelle in mir selbst sprudelt.“ So entsteht echte Selbstliebe: nicht als plötzlicher Geistesblitz, sondern als Prozess, bei dem wir Schritt für Schritt lernen, auf unsere innere Quelle zu vertrauen, alte Muster zu erkennen und uns selbst wertzuschätzen.
💛Fazit:
Der eigene Brunnen steht für Selbstliebe. Wer lernt, ihn freizulegen, muss nicht länger um Anerkennung kämpfen. Stattdessen entsteht ein stilles, tragendes Vertrauen:
„Alles, was ich wirklich brauche, finde ich auch in mir.“
Selbstliebe ist eine Reise – manchmal herausfordernd, aber immer lohnenswert. Jeder Schritt hin zu unserem inneren Brunnen stärkt unser Selbstvertrauen, unsere Klarheit und die Fähigkeit, unser Leben aus einer Quelle zu leben, die uns niemand nehmen kann.
Beitrag © Nina Groß (HerzFacetten) / Bild © Kent Pilcher (www.unsplash.com)
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