Warum „Nein sagen“ nicht einfach nur ein Satz ist und warum Selbstbehauptung für viele so schwer ist:
Viele Menschen wissen, dass sie eigentlich Nein sagen müssten – tun es aber nicht. Sie fühlen sich blockiert, möchten Konflikte vermeiden oder haben Angst, andere zu enttäuschen. Nein sagen lernen ist daher ein zentraler Schritt, um zu deinem eigenen Wert zu stehen und dich selbst zu schützen.
Doch es ist nicht nur einfach ein Satz, um den es hier geht. Dahinter steckt noch viel mehr, als einen „tollen Spruch“ zu lernen, den man mal eben so dahersagt und gut ist. Mit meiner Artikel-Reihe „Nein sagen lernen“ möchte ich euch typische Muster und Mechanismen aufzeigen, die hinter dem genannten Verhalten stecken können.
Außerdem stelle ich euch eine mögliche 4-Schritte-Methode vor und erzähle ein persönliches Beispiel, das zeigt, wie man diese Dynamiken erkennen und für sich nutzen kann. Und ebenso wichtig wie das Nein sagen an sich ist auch der Umgang mit unseren Gedanken und Gefühlen danach – genauso wie der Umgang mit der Reaktion der Anderen . Denn oft verstärkt das alles die Muster, sodass wir aus dem Teufelskreis dann gar nicht mehr rauskommen.
Typische Muster und Mechanismen, die hinter geringer Selbstbehauptung stecken können
Viele dieser hier genannten Muster sind mir selbst sehr vertraut. Lange Zeit habe ich unbewusst danach gelebt – angepasst, verständnisvoll, immer bemüht, für andere verfügbar zu sein. Ich dachte, das sei normal, vielleicht sogar richtig so. Jetzt bin ich dabei, nach und nach zu erkennen, wie tief manche dieser alten Prägungen reichen und wie sehr sie bestimmen, was ich sage, wie ich handle und welche Entscheidungen ich treffe.
Prägungen und Muster aus der frühen Kindheit oder auch späteren Beziehungen, wie:
- Überanpassung: Wenn du z. B. als Kind gelernt hast, dass Liebe oder Anerkennung an Bedingungen geknüpft ist („Ich werde gemocht, wenn ich brav bin“), kann die unbewusste Gleichung entstehen: Nein sagen = Gefahr, Zuwendung zu verlieren.
- Verantwortung für andere: Wenn du schon früh Verantwortung übernommen hast oder die Stimmung anderer regulieren musstest, hast du wahrscheinlich gelernt: Ich bin wertvoll, wenn ich helfe / funktioniere / für andere da bin.
Mechanismen die auf Angst basieren, z. B. Angst vor …
- … Ablehnung oder Konflikt: Das Nein wird als potenzieller Auslöser für Distanz, Kritik oder Streit erlebt.
- … egoistisch zu wirken: Besonders stark bei Menschen mit hohem Einfühlungsvermögen oder moralischem Anspruch.
- … schuldig zu sein: Viele Menschen verwechseln „Grenzen setzen“ mit „jemandem etwas wegnehmen“.
Unser innerer Kritiker und geringer Selbstwert
Bei einem Nein könnte sich sofort der/die innere Kritiker(in) melden: „Du bist undankbar, schwierig oder lieblos.“
Dadurch wird das natürliche Bedürfnis nach Selbstschutz übertönt.
Oft steckt dahinter die unbewusste Überzeugung: „Mein Wert hängt davon ab, was ich für andere tue – nicht davon, dass ich einfach bin.“
Bei geringem Selbstwert ist es ebenfalls üblich, dass wir davon überzeugt sind, nicht gut genug oder nicht in Ordnung zu sein. Andere Menschen sind dann immer wichtiger, haben vermeintlich einen höheren Wert und daher mehr Rechte als wir selbst.
Schutzmechanismus: Harmonieerhalt
Of sagen wir nur deshalb „Ja“, weil es kurzfristig sicher wirkt – es vermeidet Spannung, hält den Frieden, sichert Zugehörigkeit. Tatsächlich ist das sogar eher als egoistisch anzusehen, was vielen von uns gar nicht bewusst ist.
Langfristig führt dauerhaftes Ja sagen aber zu innerem Groll, Erschöpfung und Selbstentfremdung. Wir stehen nicht zu uns selbst – und daran gehen wir innerlich kaputt.
Nein sagen lernen – Wie bemerke ich meine Muster? Wo fange ich an?
Heute wird mir immer bewusster, wann ich in alte Reaktionsmuster zurückfalle und wann ich wirklich aus meiner inneren Mitte heraus handle. Wichtig zu verstehen ist hier, dass es ein Prozess ist, der Geduld erfordert – kein plötzlicher Wandel von heute auf morgen! Es geschieht schrittweise und es beginnt in der Regel mit einem ganz klaren Körpergefühl. Es könnte als eien Art Enge beschrieben werden – es wird eng, etwas zieht sich zusammen. Und jedes Mal, wenn ich diesen Moment bewusst erlebe und mich selbst wahrnehme, statt automatisch auf eine Bitte oder Aufforderung zu reagieren, löst sich ein kleines Stück des alten Musters.
Eine 4-Schritte-Methode für ein allgemeines Vorgehen könnte wie folgt aussehen:
🌸1. Selbstwert und emotionale Erlaubnis aufbauen („Ich darf Grenzen setzen!“)
🌸2. Situationen erkennen und typische Auslöser entlarven (Personen, Tonlagen, innere Glaubenssätze)
🌸3. Sicherheit gewinnen: Erste Mini-Schritte in der Praxis (in harmlosen Situationen anfangen)
🌸4. Authentische Kommunikation und Selbsttreue (Wertschätzung für alle Beteiligten)
⇒ Möchtest du mehr Details über die 4-Schritte-Methode erfahren? In Kürze findest du hier einen Download Link zu meinem 💛 kostenlosen PDF „Nein sagen – Guide & Worksheet zur Selbstreflexion“.
Grenzen setzen – aller Anfang ist schwer: Ein persönliches Praxisbeispiel von mir
Neulich erlebte ich eine Situation, die mir wieder sehr deutlich gezeigt hat, warum es so schwer ist, Nein zu sagen.
Ich wurde kurzfristig gebeten, meine ohnehin geplanten Aufgaben zu erweitern. Sofort spürte ich, wie sich in meinem Körper etwas zusammenzog – als würde es enger werden. Doch ich versuchte, das Positive an der Situation zu sehen. Ich suchte nach einer inneren Rechtfertigung, warum es ja vielleicht „doch passt“ – und sagte schließlich zu.
Während des Erledigens der Aufgaben merkte ich, wie meine Energie zunehmend schwächer wurde. Mein Körper reagierte mit Müdigkeit und anderen Symptomen. Am Ende war ich zwar froh, alles geschafft zu haben – doch so sollte es nicht bleiben. Ich spürte bereits, dass irgendetwas „in der Luft lag“. Und tatsächlich: Es folgte eine erneute Anfrage für noch mehr Aufgaben – diesmal zusätzlich mit einer Änderung, die mir das Gefühl gab, „jetzt werde ich verarscht“. Diese Änderung hätte einige meiner bereits erledigten Aufgaben wieder zunichte gemacht.
Die Situation überraschte mich, und ich sollte sofort reagieren. Mein erster Impuls war ein innerliches Schmunzeln – und ich bin froh darüber. Es half mir, Distanz zu wahren und die Situation klar zu beobachten. Ich erkannte die Dynamik und blieb freundlich. So war ich in der Lage, etwas Bedenkzeit anzufordern – und bekam sie auch.
In dieser Bedenkzeit begann ich zu reflektieren. Ich spürte den Wunsch, mich nicht weiter ausnutzen zu lassen, merkte aber auch, wie alte Muster hochkamen: Angst vor Konflikt, Harmoniebedürfnis, Anpassung. Gleichzeitig kamen Tränen – es tat weh. Ich fühlte mich hilflos, überfordert und verletzt. Und damit war für mich klar: „Stopp – jetzt ist ein Ende zu setzen!“
Ich informierte mich anschließend über meine Möglichkeiten, las über diese Verhaltensmuster nach – und mir wurde bewusst: Die Zusage, die ich beim ersten Mal gemacht hatte, war bereits Teil des alten „Nicht-Nein-sagen-Können“-Musters. Das schnelle Anpassen, das Schönreden, das Hoffen, es würde schon irgendwie gehen. Doch diesmal war mir klar: Nein, ich möchte das nicht. Und ich habe auch nichts zu befürchten – denn ich musste meine Antwort nicht einmal persönlich mitteilen. So konnte ich beim ersten Üben mit etwas Abstand und Sicherheit handeln. Am nächsten Morgen formulierte ich also eine Absage – klar, freundlich und selbstbestimmt.
Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, dass es nicht nur um das äußere „Nein sagen“ geht, sondern vor allem um das innere Wahrnehmen von Grenzen. Sobald man erkennt, welche Mechanismen aktiv sind – alte Prägungen, Ängste oder innere Kompromisse – kann man bewusster entscheiden, wann und wie man wirklich zu seinem eigenen Wert steht.
💛Fazit / Schlussgedanken:
Das Muster „Nicht Nein sagen können“ ist tief verwurzelt, aber es lässt sich Schritt für Schritt auflösen.
Wer lernt, die eigenen Grenzen zu erkennen, emotional zuzulassen und klar zu kommunizieren, entwickelt nicht nur Selbstbehauptung, sondern auch innere Ruhe und Stabilität.
Fortsetzung folgt…
Beitrag © Nina Groß (HerzFacetten) / Bild © Ayla Meinberg (www.unsplash.com)
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